Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem am 31. Juli 2025 verkündeten Urteil (Az. I ZR 170/24) ein deutliches Zeichen gegen irreführende Werbung im Bereich ästhetischer Gesichtsbehandlungen gesetzt. Demnach dürfen Ärztinnen und Ärzte für sogenannte minimalinvasive Eingriffe – konkret für Behandlungen mit Hyaluron oder Hyaluronidase zur Formveränderung von Nase oder Kinn – nicht mit Vorher-Nachher-Bildern werben, wenn sich die Werbung an Verbraucher richtet.
Sachverhalt
Auf Instagram geben „Dr. Rick“ und „Dr. Nick“ (Henrik Heüveldop und Dominik Bettray) Einblicke in den Praxisalltag ihrer ästhetisch ausgerichteten Einrichtung. In kurzen Videoclips dokumentieren sie unter anderem Unterspritzungen mit Hyaluronsäure sowie beispielhafte Beratungsgespräche – und verbinden damit medizinische Inhalte mit einer auf visuelle Wirkung ausgelegten Darstellung.
Die Verbraucherzentrale NRW nahm das hinter dem Auftritt stehende Unternehmen Aesthetify (Recklinghausen) wegen der Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern bei der Bewerbung nicht medizinisch notwendiger Hyaluron-Behandlungen in Anspruch.
Der Vorwurf: Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das insbesondere § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG bildhafte Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe untersagt, sofern keine medizinische Notwendigkeit besteht. Die zentrale Frage ist daher, ob es sich bei der beworbenen Behandlung um einen solchen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff handelt.
Prozessverlauf
Schon das Oberlandesgericht (OLG) Hamm gab der Klage statt. Es sah in den Hyaluron-Unterspritzungen einen plastisch-chirurgischen Eingriff, unabhängig davon, ob mit einem Skalpell oder einer Kanüle gearbeitet wird. Maßgeblich sei, dass mit einem Instrument eine Form- oder Gestaltveränderung am Körper vorgenommen werde. Der Schutzzweck des HWG, so das OLG, liege gerade darin, Verbraucher vor einer durch visuelle Verharmlosung ausgelösten Beeinflussung zu schützen.
Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 31.07.2025, Az. I ZR 170/24) bestätigte die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die von der Beklagten beworbene Behandlung, bei der mit einem Instrument – in diesem Fall einer Kanüle – in den menschlichen Körper eingegriffen und dessen Form oder Gestalt durch die Injektion einer Substanz (Hyaluron oder Hyaluronidase) zur Korrektur von Nase oder Kinn verändert wird, als operativer plastisch-chirurgischer Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG zu werten ist.
Demnach ist es nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG unzulässig, mit Vorher-Nachher-Darstellungen für die Wirkung eines solchen Eingriffs zu werben. Das Gericht folgte hierbei einer weit gefassten Auslegung des Begriffs „operativer plastisch-chirurgischer Eingriff“, die dem Wortlaut der Vorschrift, dem Willen des Gesetzgebers und dem Schutzzweck der Regelungen entspricht. Ziel ist es, Verbraucher vor unsachlicher, potenziell irreführender Werbung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zu schützen, ihre Entscheidungsfreiheit zu wahren und sie vor vermeidbaren Gesundheitsrisiken zu bewahren.
Die von der Beklagten vorgebrachte Argumentation, die Risiken der Hyaluron-Behandlung seien mit denen von Ohrlochstechen, Piercen oder Tätowierungen vergleichbar, ließ der BGH nicht gelten. Diese Verfahren stellen keine operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe im Sinne des Gesetzes dar, sondern sind als oberflächliche ästhetische Hautveränderungen einzustufen, für die das Werbeverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nicht gilt.
Fazit
Das Urteil des BGH setzt damit klare Grenzen für Werbung im Bereich der Schönheitsmedizin: Wer nicht medizinisch notwendige, körperverändernde Eingriffe, wie die Unterspritzungen mit Hyaluronsäure, vornimmt, darf dafür nicht mit Vorher-Nachher-Bildern werben.
Der Gedanke dahinter: Verbraucher sollen nicht durch idealisierte Darstellungen zu ästhetisch motivierten Eingriffen verleitet werden, deren medizinischer Nutzen nicht belegt, deren Risiken aber durchaus real sind.